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Wie die Mutter, so die Tochter: „Alien: Isolation“ im Test

Erstveröffentlichung: 7. Oktober 2014 auf Amazon

Nach dem fast universell verurteilten „Aliens: Colonial Marines“ wollte SEGA die Wogen glätten und sich wieder auf echten Horror besinnen. Statt Schießbudenfiguren sollte der Xenomorph das erbarmungslose und perfekte Mordinstrument werden, das die Filmreihe im ersten Teil etabliert hat. Ob dies gelungen ist?

Story:

Wer „Aliens – Die Rückkehr“ im Director’s Cut gesehen hat, der weiß um die Existenz von Ellen Ripleys Tochter Amanda. Genau diese verkörpert man in „Alien: Isolation“. Da sich diese mit dem Verschwinden ihrer Mutter nicht abfinden will, nimmt sie das Angebot an, sich mit auf die Suche nach einer Art Flugschreiber der „Nostromo“ zu machen. Dieser befindet sich auf der Weltraumstation „Sevastopol“…

Mehr will ich gar nicht verraten, da das Storygerüst bereits in den ersten 5 Minuten recht fest verpackt wird. Die Handlung des Spiels wird danach nicht nur durch die ordentlichen Zwischensequenzen und Figuren weitererzählt, sondern auch durch allerlei Dokumente, die man auf Computern finden kann. Häppchen für Häppchen bekommt man also ein Gespür dafür, was abläuft und was mit „Sevastopol“ nicht stimmt. Die Entscheidung, dass man Amanda Ripley verkörpert, zahlt sich jedenfalls sofort aus, da man von Sekunde 1 an eine Beziehung zu ihr aufbauen kann, selbst, wenn ihr Entschluss, sich auf den Weg zu machen, doch sehr schnell gefasst wurde. Wem Amanda nicht reicht, der kann in den Bonusmissionen „Last Survivor“ und „Crew Expendable“ (Teil der Ripley-Edition) höchstselbst in die Rolle von Ellen Ripley schlüpfen und den Ereignissen des ersten Teils beiwohnen. Für sein Geld bekommt man also etwas geboten.

Gameplay:

Wer ein Survival-Horrorspiel a la „Outlast“ gespielt hat, der wird sich schnell zurechtfinden. Die meiste Zeit ist man nicht nur unbewaffnet, sondern muss sich auch verstecken oder um sein Leben rennen, um den unerbittlichen Gegnern (bei dem Alien bleibt es nicht…) zu entkommen. Das Alien selbst ist natürlich der Star des Spiels und wenn es sich mit tosendem Krach ankündigt, während man verzweifelt einen Wandschrank oder Schreibtisch zum Verstecken sucht, dann spielt das Spiel alle Trümpfe aus. Im Schrank muss man dann sogar die Luft anhalten, um den zischenden Xenomorph nicht anzulocken. Wie die Ladebildschirme nochmals klarstellen, ist das Wahrnehmungsspektrum logischerweise dem des Menschen überlegen. Das führt dazu, dass man schon mal ordentlich in die Bredouille kommt, wenn man manche Passagen mehrfach spielen muss. Auf dem schweren Schwierigkeitsgrad, der vom Spiel im Menü empfohlen wird, kommt man somit oft ins Schwitzen. Allerdings sollte man sich der Herausforderung stellen, schließlich ist der Gegner ein übermenschliches und erbarmungsloses Wesen und kein Kindergeburtstag. Dass das Alien wirklich unberechenbar bleibt, ist für meinen Geschmack aber eher ein Pluspunkt, da man zwar so öfter chancenlos dasteht und Amanda stirbt, im gleichen Atemzug wird aber auch so ein ordentliches Paranoiagefühl fabriziert, denn zu jeder Sekunde kann es aus sein. Plötzlich bohrt sich der Schwanz durch den Oberkörper und Amanda haucht ihr Leben aus, weil man dummerweise den Raum nicht richtig überprüft hatte oder das Piepen des Motiontrackers die eigene Position verraten hat. Es kann sich manchmal unfair anfühlen, aber die meiste Zeit ist man eben doch selbst schuld gewesen.

Ansonsten ist das Spielprinzip anfangs noch recht eindimensional. Laufen, Knöpfchen finden, ducken, schleichen. Das alles durch düstere Korridore oder auch mal durch Lüftungsschächte hinweg. Immer dann, wenn das Alien auftaucht, brennt dann natürlich die Luft. Im weiteren Spielverlauf bekommt man übrigens noch Waffen (u. a. den Flammenwerfer, Revolver etc.), um die Gegner zu bekämpfen, denn die Haupattraktion ist lange nicht das einzige Wesen, dass einem das Licht ausknipsen will. Interessant ist übrigens das Craftingsystem, denn überall liegt Weltraumschrott und sonstiges Material rum, das man irgendwie zusammenbasteln kann, um z. B. Gesunheitspäckchen herzustellen oder bestimmte Werkzeuge. Ein gutes Feature, das den Survival-Charakter unterstreicht.

Das Speicherkartensystem, das einen nur an bestimmten Punkten speichern lässt, während man noch mehrere Sekunden hilflos ist und sich hektisch während des Speichervorgangs umschaut, trägt übrigens zum Horror weiter bei. Jedes Mal ist man regelrecht stolz, wenn man es halbtot zum nächsten Punkt geschafft hat. Dass es allerdings nur einen Speicherslot gibt, den man immer wieder überschreibt, ist im Jahr 2014 wirklich ein ganz schlechter Witz.

Zum Alien:

Selbst auf dem schweren Schwierigkeitsgrad kommt man mit einem ordentlichen Einsatz des Motiontrackers und guter Rundumsicht immer gut voran. Natürlich muss man immer mal wieder unter einem Bett oder in einem Schrank innehalten, so ist es nun mal. Trotzdem gibt es noch genug Situationen, wo es einem das Spiel wirklich leicht macht. Wenn man natürlich im Schrank den piependen Motiontracker anmacht, muss man sich nicht wundern, dass man vertilgt wird. Wenn man unter dem Lüftungsschacht, aus dem Aliensabber runterläuft, durchrennt, wird man natürlich auch erwischt. Man muss lernen, was man da spielt und alles vergessen, was man in anderen Alien-Spielen gelernt hat. Hier ist man Dreck und man muss sich auch durch den Dreck kämpfen, um weiterzukommen. Es ist wie ein Marathonlauf bei dem jeder „Fehlstart“ geahndet wird. Wichtig ist, dass man den richtigen Flow entwickelt, wenn der erstmal stimmt, macht „Alien: Isolation“ so richtig Bock. Manchmal hat man sogar das Gefühl, das Alien halbwegs im Griff zu haben, ohne es jemals richtig zu kontrollieren. So bleibt es immer spannend und fordernd. Der ständige Einsatz von Gadgets wie den Geräuschmachern hilft einem auch, aus brenzlichen Situationen zu entkommen. Wer immer wieder gleich vorgeht, der stirbt. Wer sich zu lange versteckt, der stirbt. Wer im falschen Moment rennt, der stirbt. Wenn man begreift, was man da für einen Gegner vor sich hat, dann läuft es auch. Das sagt jemand, dessen Frusttoleranz wirklich klein ist.

Die KI des Aliens ist wirklich wunderbar und ich wüsste nicht, was es daran ernsthaft auszusetzen gibt. Es fühlt sich lebendig und intelligent an. Es läuft nicht auf vorgefertigten Wegen, sondern agiert immer wieder anders. In einem Moment zittert man noch im Wandschrank, dann ist das Vieh wieder in den Lüftungsschächten unterwegs, weshalb man für wenige Sekunden das Gefühl von falscher Sicherheit verspürt. Man darf nur nie übermütig werden.

Grafik und Präsentation:

„Alien: Isolation“ nimmt sich am Anfang richtig Zeit, um Atmosphäre und die Situation aufzubauen. Es geht eher gemächlich zu. Hier und da bin ich natürlich schon ordentlich zusammengezuckt, glücklicherweise werden die Jumpscare-Momente subtiler eingesetzt, als in anderen Survival-Horrorspielen. Ein kleiner Lichtblitz und ein leises Geräusch reichen da schon oft aus. Es ist also anfangs angenehmes Gruseln angesagt. Das fabelhafte Sounddesign ist daran mindestens genauso beteiligt, wie stimmungsvolle Nebel- Licht- und Schatteneffekte, die sich wirklich sehen lassen können. Auch das Rauch- und Partikelsystem (in manchen Räumen fliegt sogar Staub umher) ist umwerfend. Alles ist zudem designtechnisch im Geiste des Originals gehalten und wirkt sinnvoll erweitert. Dies ist bereits beim 20th-Century-Fox-Logo zu spüren, das im VHS-Stil gehalten ist. Die Stimmung ist also sofort da, auch durch die vielen musikalischen Motive, die direkt aus dem ersten Film übernommen wurden. Das Herz eines Alien-Fans dürfte auch bei den kleinen Details in den Raumschiffen höher schlagen. Im Schiff, mit dem man zur Raumstation fliegt, erinnert alles an die „Nostromo“, weil diese zur gleichen Baureihe gehört. Wenn man also „Mutter“ (den Bordcomputer) findet, bzw. eben das Pendant, staunt man nicht schlecht. Die Inszenierung des Spiels ist also absolut gelungen und lässt den letzten Alien-Ableger weit hinter sich zurück. Leider ist die dt. Synchro wirklich furchtbar. Statt professioneller Sprecher, die man bei so einer Marke erwarten würde, ist das Spiel auf Deutsch auf Steinzeitniveau. Das ist schade, denn mittlerweile sind Videospielsynchros oft auf dem gleichen Level, wie Synchros für Hollywoodfilme. Hier musste für mich der O-Ton her.

Technik:

(Mein PC: AMD FX 8320@ 4GHZ, 8GB RAM 1333MHZ, MSI GTX 760 2GB)

Die technische Umsetzung auf dem PC ist von der Performance her absolut mustergültig. Auf Ultra und in 1080p habe ich die meiste Zeit um die 100 FPS (VSync ausgeschaltet) und keine Ruckler. Leider lässt sich das hässliche Kantenflimmern aktuell nicht mit den Antialiasing-Einstellungen in den Griff bekommen. Da muss ein Patch her. Der könnte auch gleich die ruckelnden Zwischensequenzen (FMV) in Angriff nehmen, denn die sehen nämlich aus, als wären sie für die 30 FPS der Konsolenversionen optimiert. Das hässliche Gezuckel stört beim butterweichen Gameplay dann schon ein wenig und reißt einen aus der Illusion etwas heraus.

Das Artbook:

Für Sammler gibt es noch die Version mit dem Artbook. (Nicht zu verwechseln mit dem Buch im Großformat „The Art of Alien: Isolation“, das es bei Amazon.com seperat zu kaufen gibt.) Bei diesem Artbook handelt es sich um ein kleines ca. 50-seitiges Buch im „Breitwandformat“ mit Fotos aus dem Spiel, Produktonsbildern, Skizzen, kleinere Infos zu Waffen & Ausrüstung etc. Leider hat das Büchlein kein Hardcover, somit lässt sich das gesamte Buch ziemlich leicht „verbiegen“. Der Buchumschlag ist hochglänzend, die Seiten an sich sind auch nicht matt, aber ziemlich dünn. Andere Artbooks (z. B. das von „Boardwalk Empire“) haben dickere, fast kartonartige Seiten zu bieten. Trotzdem ist das Buch eine nette Dreingabe, zumal die Version mit Artbook bei Amazon aktuell zum gleichen Preis zu bekommen ist, wie die normale „Ripley-Edition“. Da braucht man also nicht zweimal überlegen, ob sich das lohnt. ;)

Fazit:

Wer sich nach „Colonial Marines“ auf ein gruseliges und atmosphärisches Alien-Spiel gefreut hat, der wird nicht enttäuscht werden. „Alien: Isolation“ wirkt wie eine gekonnte Fortsetzung des ersten „Alien“-Flms und trifft dessen Stimmung haargenau. Das Fanherz wird dahingehend höher schlagen. Technik, Sounddesign und Atmosphäre sind wirklich hochqualitativ. Die Frage ist, ob das Survivalspiel am Ende wirklich jeden über die rund 20 Stunden andauernde Kampagne motivieren kann. In jedem Fall bleibt am Ende ein guter Eindruck zurück.

Bewertung:

4 Sterne

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