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„Death Wish“-Kritik: Bruce macht den Bronson

Die großen Erfolge von Bruce Willis und Eli Roth liegen schon ein Weilchen zurück. Mit der Neuverfilmung des Charles Bronson Klassikers „Death Wish“ haben sich beide einen Kultfilm des Actionkinos vorgenommen. Herausgekommen ist ein souveränes Remake, das durchaus funktioniert. Dabei wird an den richtigen Stellen modernisiert, ohne völlig auf einen altmodischen Charme zu verzichten.

Story

Als Chirurg führt Paul Kersey ein Leben aus dem Bilderbuch mit Frau und Tochter. Gewalttätige Auseinandersetzungen meidet er. Während seiner Arbeit muss er regelmäßig erleben, wie Polizisten und Verbrecher ihr Leben verlieren. Eines Abends überfallen Gangster sein Haus, töten seine Frau und verletzten seine Tochter so schwer, dass diese ins Koma fällt. Von der Ermittlungsarbeit der Polizei enttäuscht, startet er eine brutale Säuberungsaktion auf den Straßen Chicagos. Dabei tötet er einen Kriminellen nach dem anderen, um an die Peiniger seiner Familie heranzukommen. Schnell bekommen die Medien von diesem Rachefeldzug Wind. Der „Grim Reaper“, wie Kersey genannt wird, inspiriert bald darauf die Bürger der Stadt und lässt das Internet durchdrehen.

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Der Horror-Regisseur und die Action-Legende

Für Eli Roth ist das Action-Genre nicht unbedingt eine leichte Fingerübung, waren seine vorherigen Filme doch eher im harten Horrorkino verortet. Er schlägt sich hier größtenteils wacker, überrascht aber auch durch unerwartete Zurückhaltung. So ist die Überfall-Szene auf die Familie sehr auf Spannung aus, lässt allerdings die Rohheit und Härte der früheren Bronson-Vehikel vermissen. Das verwundert sehr, da gerade Roth dafür bekannt ist, alles andere als zimperliche Filme abzuliefern. So wird auf die Vergewaltigung der Tocher durch die Gangster verzichtet. Natürlich bedarf es dieser Darstellung nicht unbedingt, allerdings fehlt dadurch ein wenig der emotionale Einschlag, den das Original hier geboten hat. Spannend ist die Einleitung schon, nur nicht schockierend genug. Umso verwunderlicher, da Roth die Verbrecher sehr grafisch umkommen lässt, je weiter der Film voranschreitet. Da werden teilweise waschechte Splatterszenen aufgefahren, wenn Kersey mordet, foltert und Selbstjustiz verübt. Man fühlt sich fast an „The Punisher“ erinnert.

Paul Kersey, der hier nicht mehr Architekt, sondern Chirurg ist, wird von Willis ordentlich verkörpert. Ihm fehlt aber eines völlig, nämlich der Charme des Normalos. Bronson war nicht der typische Held. Das machte den Rächer von New York umso wirkungsvoller, da hier ein einfacher Bürger die Straßen säuberte. Willis hingegen kann nie seinen Actionstar-Charme ablegen, dafür agiert er einfach zu cool, selbst dann, wenn er im Film zu Beginn als zurückhaltend dargestellt wird und Ärger aus dem Weg geht. Hier hätten Liam Neeson oder Sylvester Stallone, die ebenfalls für die Hauptrolle im Gespräch waren, sicherlich kaum anders gewirkt.

Überraschend sind ein paar Szenen, in denen Willis mehr als nur böse gucken darf. Da fließen Tränen, da werden Trauer und Verzweiflung überzeugend rübergebracht. Seine Stimmlage verschiebt sich realistisch, als er vom Tod seiner Frau erfährt. An anderen Stellen darf er auch mal lächeln. Diese Momente sind mehr als passabel, davon hätte ein wenig mehr nicht geschadet. Es werden Erinnerungen an seinen ersten „Stirb langsam“-Film wach, in dem er eine größere schauspielerische Bandbreite offerierte als damals  im Genre üblich. Roth schafft es, diese Stärken zu mobilisieren. Leider fallen diese gekonnten Sequenzen wirklich sehr kurz aus. Klar, es soll ja auch schnell ans Eingemachte gehen. Ohnehin ist Roth schließlich nicht als Dramaturg bekannt. Trotzdem ist zu merken, dass er Willis studiert hat und genau dessen Stärken & Schwächen kennt. Seinen Hauptdarsteller dirigiert er gekonnt. Das Ganze ist ein großer Schritt weg von Willis‘ eindimensionaler Darstellung in „Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben“, in dem sich eine Ikone selbst demontierte.

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Bruce Willis und Eli Roth am Set von „Death Wish“

In Nebenrollen sehen wir Elisabeth Shue (Zurück in die Zukunft II & III), Vincent D’Onofrio („Full Metal Jacket“) und Dean Norris („Breaking Bad“). Shue darf nur die kitschige Bilderbuch-Ehefrau spielen. Sie ist wie zu erwarten nur Mittel zum Zweck, anders sieht es die Geschichte auch nicht vor. D’Onofrio spielt Kerseys Bruder Frank, das gibt dem Ganzen eine andere Perspektive. Im Original agierte Bronson völlig auf sich allein gestellt, ohne eine Form von familiärem Rückhalt. In einer Paraderolle darf Dean Norris agieren, der wie üblich einen Polizisten verkörpert. Es ist schwer, hier nicht Hank Schrader aus „Breaking Bad“ wiederzuerkennen. Norris macht seinen Job aber wie immer effektiv. Klar, diese Funktion hat er schon seit „Terminator 2“ und „Lethal Weapon 2“ einfach im Blut.

Sinnvolle Erweiterungen

Ganze neun verschiedene Drehbuchautoren haben am Script herumgedoktert. Das führte zu massiven Änderungen und auch zu einer kompletten Generalüberholung. In der Regel sind solche Probleme oftmals Gift für jeden Film, hier fallen sie glücklicherweise kaum negativ ins Gewicht. Es gibt einige Erweiterungen des Originals, die durchaus sinnvoll und interessant umgesetzt worden sind. So besucht Kersey eine Therapeutin, um seine anfängliche Trauerphase besser bewältigen zu können. Im Verlauf der Handlung verkommt diese Idee allerdings nur noch zum bloßen humoristischen Gimmick. Während Kersey links und rechts die Kriminellen abmurkst, spielt er seiner Therapeutin den Weg der psychischen Besserung vor.

Im Vergleich zum Film von 1974 bemüht sich das Remake auch die Wirkung des Rächers auf die Gesellschaft einzufangen. So wird er schnell zum Thema Nummer 1 in den Medien. Idol oder Gefahr? Die Bürger Chicagos werten aus. Dabei inspiriert sein Verhalten auch Nachahmer, die sich entsprechend in Lebensgefahr begeben. Leider wird dieser Kniff nur sehr kurz angerissen. Da hätte man mehr mit anstellen können, denn das Konzept dieser „Copycats“ ist in jedem Fall eine spannende Sache. Am Ende fallen die massiven Drehbuch-Änderungen nur etwas negativ auf, weil die eigentlich vielversprechenden Neuerungen nicht genug in den Fokus gerückt werden. Ansonsten hätte man hier deutlich Schlimmeres erwarten können.

Altbewährtes trifft auf Moderne

Wenn es zur Sache geht, merkt man sowohl die Erfahrung von Willis als Ikone des Actionfilms als auch Roths Gespür für Spannung. Tatsächlich fallen die Actionszenen recht spannend und temporeich aus. Das liegt auch viel an der wirkungsvollen Musik des Komponisten Ludwig Göransson. Da werden munter Motive des 80er-Jahre-Bahnhofskinos zitiert, wenn in grimmigen Szenen düstere Synthie-Sounds mit wabernden Bässen aufkeimen. Aber auch ganz typische, treibende Orchesterklänge tragen zur Spannung bei. Dabei wird zwar keine Meisterleistung geliefert, aber der Soundtrack ist äußerst stimmig. Über die Einbindung von AC/DC und so mancher Hip-Hop-Beats kann man allerdings geteilter Meinung sein. Sinn ergeben diese nicht wirklich und wirken teilweise deplatziert. Zumal „Back in Black“ mittlerweile furchtbar ausgelutscht ist. „Night Prowler“ hätte deutlich besser zum Sensenmann Kersey gepasst und eine fiesere Stimmung erzeugt. So wirkt Kersey bisweilen eher wie ein gewöhnlicher Actionheld, als wie ein kontroverser Vigilant.

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Inszenatorisch arbeitet Eli Roth äußerst souverän. Es ist kaum zu merken, dass der Actionfilm gar nicht sein Metier ist. Als großer Filmfan kennt er das Genre natürlich in- und auswendig. Dank unzähliger ähnlich gearteter Filme Marke „Death Sentence“ oder „Taken“ gibt es eine grobe Vorlage. Dieser folgt Roth. Die Intensität und Abgründigkeit, welche James Wan 2007 mit Kevin Bacon erreichte, wird leider nicht eingefangen. „Death Sentence“ ging deutlich ernster und denkwürdiger ans Werk. Hier hingegen geht es durchgehend um comichafte Gewalt und simple Unterhaltung. Da fällt auch mal eine Bowlingkugel auf den Kopf eines Kriminellen. Die Spirale der Gewalt wird nicht wirklich hinterfragt, sondern unterhaltsam dargestellt. Das war 1974 im Charles-Bronson-Flick noch anders, welcher bestialisch und sehr grob für seine Zeit wirkte. Bei Roth funktioniert sein ganz eigener Stil aber dennoch. Ohnehin muss man ihm attestieren, dass er sich nicht zwanghaft ans Original klammert, sondern seinen eigenen Weg geht. Dabei mischt er Moderne mit bodenständiger und klassischer Actionschule. Hier und da werden Split-Screens eingebaut, medizinische Instrumente werden mit Schusswaffen gleichgesetzt. Amüsant.

Um den Film zeitgemäß zu verpacken, werden Social-Media und die Rezeption durch die Bevölkerung zum Thema gemacht. Der Rächer avanciert zur Internet-Bekanntheit mit eigenen Memes, während im Radio über seine Taten diskutiert wird. Kersey selbst schaut sich YouTube-Tutorials an, um seine Fähigkeiten auszubauen. Glücklicherweise hebt „Death Wish“ trotz Aktualität nie ab und wirkt dadurch angenehm geerdet. Es geht klassisch und direkt zur Sache. Ein Schnittgewitter, wie es bei aktuellen Actionfilmen die Regel ist, wird nicht geboten. Dementsprechend geht auch die Übersicht nie flöten. Da verzeiht man auch das Apple-Product-Placement gerne. Insgesamt ist Roth die stilistische Gratwanderung also gut gelungen. Am Look hätte er noch feilen können, Filme wie „Death Wish“ & „Taxi Driver“ hatten wirklich grimmige, hässliche Bilder zu bieten, Roth arbeitet hier aber mit einer professionellen Hochglanzoptik. Das nimmt etwas Härte raus. Am Finale könnte man sich auch noch stören, denn das ist doch äußerst kurz ausgefallen, wenngleich man dem Ende eine gewisse Konsequenz und Endgültigkeit nicht absprechen kann.

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Fazit

Die Kombination Willis & Roth funktioniert überraschend gut. „Death Wish“ schafft es, an den richtigen Stellen Veränderungen einzubauen, sogar seine Hauptfigur etwas menschlicher in Szene zu setzen. Dafür sorgt Willis in kurzen Momenten, wo er ein kleines, dramatisches Geschick offenbaren kann. Natürlich ist dies nicht wirklich der Fokus, sondern eine geradlinige Rachegeschichte. Actiontechnisch wird solide Kost mit einigen Härten geboten. Ein wenig ist der grimmig-dreckige Charme der 70er-Jahre abhanden gekommen. Statt Grindhouse gibt es hier eher Hochglanz. Trotzdem: Der Film will Spaß machen und das schafft er. Die Neuverfilmung übertrifft das Original letztendlich nicht, ist aber auf seine eigene Weise ordentlich.

3,5 Sterne

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Autor: Sebastian Narkus
Bildmaterial: MGM / Universum Film

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