Mafia: Definitive Edition
PlayCheck, [Spieletest]

„Mafia: Definitive Edition“ im Test: Don Salieri schickt wieder Grüße

„Ich war mal Taxifahrer.“ – Mit diesen Worten begann 2002 in Illusion Softworks‘ „Mafia: The City of Lost Heaven“ der Protagonist Thomas Angelo einem abgebrühten Detective seine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte voller Gewalt, falscher Ideale und wunderbarer Gangster-Romantik, angesiedelt im stimmungsvollen Amerika der 30er-Jahre. Mit filmreifer Inszenierung, dichter Atmosphäre und allem, was zu einer stilechten Mafioso-Geschichte dazugehört, konnte der Titel Spieler und Kritiker gleichermaßen überzeugen. 18 Jahre später erscheint mit „Mafia: Definitive Edition“ ein Remake des Klassikers. Dabei handelt es sich aber nicht um ein einfaches Remaster, sondern um eine komplette Frischzellenkur. Das Spiel wurde von Grund auf neu entwickelt und deutlich modernisiert. Im Test erklärt ein großer Fan des Originals, ob sich die Neuzubereitung zur Crème de la Crème der Videospiel-Remakes zählen darf oder ob die Entwickler von Hangar 13 mit ihrer Rezeptur nicht eher die Omertà gebrochen haben. Bon Appétit!

Ein unmoralisches Angebot

Inhaltlich dreht sich auch in der Definitive Edition alles um den ärmlichen Italoamerikaner Thomas Angelo, welcher als Taxifahrer in Lost Heaven seine Brötchen verdient. Kein ertragreicher Job, aber in der Zeit der großen Depression ist er froh, überhaupt in Lohn und Brot zu stehen. Sein Leben wird jedoch gehörig auf den Kopf gestellt, als er in einer schicksalhaften Nacht des Jahres 1930 von den beiden Mafiosi Paulie und Sam gegen seinen Willen als Fluchtwagenfahrer angeheuert wird. Bald darauf findet er nicht nur Gefallen am Nervenkitzel, sondern sich selbst auch in den Reihen des (un)ehrenhaften Salieri-Clans wieder und verdingt sich fortan als Mann fürs Grobe im Kampf gegen die verfeindete Morello-Familie. Familienoberhaupt Don Salieri erteilt Tommy im Verlauf der Handlung dabei immer riskantere Aufträge, die dem Spieler einiges abverlangen.

Mafia: Definitive Edition Thomas Angelo Tommy
Taxifahrer Thomas Angelo avanciert auch im Remake zum respektierten Mafioso

Lost Heaven – eine Stadt, zum Sterben schön

Wer sich damals in das Setting verliebt hat, wird mit der Definitive Edition eine angenehme Überraschung erleben. Lost Heaven, die von der kriminellen Unterwelt geplagte Großstadt, welche an Chicago, New York und San Francisco angelehnt ist, wurde absolut zeitgemäß aufgehübscht. Wenn dunkler Rauch aus Industrieschornsteinen emporsteigt, die regennasse Fahrbahn das Neonlicht der pulsierenden Downtown reflektiert und schmissige Jazzmusik ertönt, versprüht die Stadt einen sagenhaften Charme. Hier wird ordentlich Stimmung erzeugt und Atmosphäre regelrecht geatmet. Wenn man mit einem der herrlich altmodischen und äußerst detaillierten Wagen gemächlich durch die Straßen Lost Heavens tuckert, wird ein angenehmer Gegenpol zur ansonsten blutdurchtränkten Handlung erschaffen. Dabei wirkt das Szenario dank akribischer Entwicklerarbeit so vertraut wie damals, durch den noch nie dagewesenen Detailgrad aber dennoch neu und unverbraucht. Bei bestimmten Lichteinflüssen wirkt die Spielwelt fast fotorealistisch – stimmungsvolle Bilder sind also garantiert. Trotz ein paar kleinerer Veränderungen in der fiktiven US-Metropole ist Lost Heaven so akkurat nachgebaut worden, dass es eine wahre Freude ist. Dennoch wirkt es etwas ungewöhnlich, dass Salieris Bar, jener ikonische Schauplatz im Herzen Little Italys, plötzlich einige Häuserblöcke weiter westlich stationiert ist. Veteranen müssen sich damit erst mal anfreunden, aber das geht dank der detailverliebten Spielwelt recht schnell. Ohnehin wird von der ersten Minute an eine liebevolle Hommage an das Original offeriert, denn bereits das Intro ist eine wunderbare Replik, welche schon durch die klassische Titelmelodie die Freudentränen in die Augen alteingesessener Fans treiben dürfte.

Neben der Stadt wurden auch die Charaktere runderneuert. Die Gesichtsanimationen wirken dank Motion-Capturing äußerst glaubhaft, auch, wenn man sich an so manches neue Gesicht erst gewöhnen muss. Bis auf ein paar Ausnahmen (Tommy ist nun ruppiger, Paulie etwas nerviger) sind die Figuren dabei im Kern erhalten geblieben. Außerdem vollbringt es das Remake, erzählerische Lücken zu schließen und den Hauptdarstellern hier und da durch neuen Hintergrund mehr Fleisch auf die Rippen zu geben. So bekommt manche Figur deutlich mehr Profil verliehen und die Geschichte erreicht etwas mehr Tiefgang. Und auch manche Missionen profitieren durch den persönlicheren Bezug zu den Haptcharakteren deutlich. Hier und da wurden jedoch auch bestimmte Charakterzüge ins Gegenteil verkehrt, was sich vor allem bei der Hauptfigur oder dem Consigliere Frank bemerkbar macht. Besonders letzterer wirkt im Vergleich deutlich grimmiger. Dafür wurden Don Salieri oder der Mechaniker Ralphie wundervoll eingefangen und durch mehr Menschlichkeit greifbarer gemacht. Der größte Pluspunkt ist nun das Verhältnis zwischen Tommy und Ehefrau Sarah, deren Liebesbeziehung endlich eine richtige emotionale Tiefe erreicht. Sarah ist nun mehr als der eindimensionale Betthase, den das Original zeichnete. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Wie ihr seht, macht das Spiel also einiges richtig.

Mafia: Definitive Edition Screenshot Chinatown Action Game 3rd person Shooter Remake
Chinatown, my Chinatown: Das Remake sieht zeitweise unverschämt hübsch aus

„Besser, du gewöhnst dich dran!“

Zwar sind alle 20 Spielmissionen des Originals beibehalten worden, dennoch wurde die Geschichte teilweise verändert, sodass es einige Überraschungen gibt. Dabei sind die Missionsziele und Settings die gleichen wie damals, nur serviert jeder Auftrag neue Perspektiven und kleine Twists, um das Ganze aufzulockern. Alte, vertraute Dialoge treffen auch auf neues Scriptwriting. Teilweise wurden auch gravierende Probleme des Originals durch modernes Missions-Design verbessert. Wer sich an das Parkhaus in „Ein großer Deal!“ erinnert, dem dürfte die damals unterdurchschnittliche KI der NPC-Kollegen bis heute einen fiesen Schauer über den Rücken jagen. Voller Hingabe warfen sich Tommys Kameraden in jede Granate, die die Gegner so liebevoll an uns adressierten und geradezu großmütig sprangen sie in das Schussfeld des Spielers, um auch ja jedes einzelne Projektil mit christlicher Selbstlosigkeit einzufangen. Halleluja! Die Mission spielt sich im Remake glücklicherweise endlich flüssig, gradlinig und responsiv. Ein Scheitern ist nun einzig und allein auf den Spieler zurückzuführen, nicht auf die strunzdummen Handlungen von Paulie und Sam. Eine tolle Sache!

Nichtsdestotrotz sollte erwähnt werden, dass sich einige Neuerungen doch eher ungelenk anfühlen und eine Umgewöhnung erfordern. Aus Hoboken wurde Holbrook, New Ark heißt nun North Park und Oak Hill hört auf den Namen Beech Hill. Das sind kleine, aber wenig nachvollziehbare Änderungen, die nicht hätten sein müssen. Das Spiel wird dadurch für niemanden aufgewertet. Zumal es absurd anmutet, dass man so viel Liebe in den „Wiederaufbau“ der Stadt gesteckt hat und sie dann ein wenig ihrer bekannten Identität beraubt. Neue Spieler dürfte das kaum kümmern, klassische Mafiosi könnten sich an solchen Änderungen jedoch stoßen. Wo wir dabei sind: Es lohnt sich für alte Hasen auf jeden Fall den „Classic Mode“ als Schwierigkeitsgrad auszuwählen, weil das Spielprinzip damit etwas mehr ans Original angeglichen wird. So verteilt die Polizei bei der Fahrt über rote Ampeln Knöllchen, überbordende HUD-Elemente werden reduziert, Schießereien sind etwas kniffliger und wenn man die Waffe nachlädt, verliert man die Patronen, die sich vielleicht noch im Magazin befanden. Alles wie damals also, reine Routine. Zu den Verkehrssünden, die der Spieler begehen kann, ist jedoch zu sagen, dass die Anzahl der Ampeln im Straßenverkehr drastisch reduziert wurde, offenbar eine historisch akkuratere Umsetzung. Im Original befanden sich gerade auf Central Island unzählige Passagen, bei denen man sonst von der Polizei angehalten wurde. Dadurch spielt sich das Remake zeitweise rasanter. Die Fahrphysik (Simulationsmodus) ist übrigens mehr als gelungen. Jedes Auto bringt ein gutes Gewicht mit, hat seinen eigenen Charakter und individuelle Soundkulisse. Wer befürchtet hatte, dass nun jeder Wagen unrealistisch schnell unterwegs ist, um mehr Action zu vermitteln, darf beruhigt sein: Es gibt auch immer noch kleine Wägelchen, die ihre liebe Mühe mit Steigungen haben. Auch das Manövrieren um Kurven fällt angenehm fordernd aus, ohne jemals unangenehm sperrig zu wirken. Das Fahrverhalten fällt also durchaus positiv aus. Dies bringt uns gleich zum berühmt-berüchtigten Rennen und der Mission „Fairplay“. Wer diese Passage damals verfluchte, wird sich im Simulationsmodus und dem Classic-Schwierigkeitsgrad nun endgültig die Zähne ausbeißen. Im Test hat es rund 30 Anläufe gebraucht, bis die Ziellinie als Erster überquert wurde. Wer sich damit nicht auseinandersetzen mag, senkt den Schwierigkeitsgrad, verpasst aber auch einen gewissen Retro-Charme, denn das knüppelharte Rennerlebnis gehört zu „Mafia“ einfach dazu. Dafür wurde das Rennen durch einen Kommentator, einen actionreichen Soundtrack und einige gescriptete Sequenzen etwas aufregender gestaltet. Hollywood lässt grüßen. Spielt man mit einem Controller, ist dazu jede Bewegung der Reifen zu spüren, bravo!

Mafia: Definitive Edition Race Hard Classic Mode
Von „Fairplay“ war hier nie die Rede: Das beinharte Rennen darf natürlich im Remake nicht fehlen

Bei den Schießereien macht die Definitive Edition leider eine eher durchwachsene Figur. Wer die Ballereien in „Mafia III“ mochte, dürfte sich allerdings nicht beklagen, denn hier liegt die gleiche Engine zugrunde. Bedauerlicherweise leiden die Shootouts ein wenig unter den Bulletsponge-Gegnern, die teilweise nach einem gezielten Revolverschuss zu Boden gehen, ein anderes Mal jedoch eine volle Salve aus der Thompson schlucken, als wären es Gummibärchen. So entsteht zwar eine größere Herausforderung, dennoch ist es wenig zufriedenstellend, wenn ein rivalisierender Gangster selbst nach dem dritten Kopfschuss nicht zu Boden gehen will. Dazu ist die Abmischung der Waffensounds eher unspektakulär ausgefallen. Die brachiale Gewalt, die vor allem Schrotflinten im Original vermittelten, kann das Remake leider nicht einfangen. Auch das Fadenkreuz ist ein ziemliches Ärgernis. Ein klassischer Punkt hätte das Zielen deutlich effektiver gemacht. Ob das übergroße Fadenkreuz Tommys fehlende Militärerfahrung unterstreichen soll, bleibt Interpretationssache. Auf dem PC werden hier Modifikationen für Abhilfe sorgen.

Das Spielprinzip ist übrigens genauso linear wie damals. Das bedeutet, dass man im Grunde von einem Kapitel direkt in das nächste marschiert. Blöderweise wurde nach so mancher Mission die abschließende Fahrt zu Salieris Bar entfernt, sodass das Remake am Ende noch kürzer ausfällt. Möchte man ohne Missionszwang durch die Welt reisen, muss der Spieler, wie damals auch, auf den Freie-Fahrt-Modus ausweichen. In diesem kann man dann auch ein bisschen neuen Content genießen, denn hinzugekommen sind einige Sammelaufgaben. So lassen sich zum einen informative Sammelkarten in Form von Zigarettenbildchen sammeln, welche die Figuren der „Mafia“-Trilogie aufgreifen und das Universum so weiter zusammenschweißen. Auch die vielen, wirklich liebevoll gestalteten Horror- und Sci-Fi-Comics sind eine willkommene Abwechslung und schöne Neuerung. Die merkwürdigen, ausgestopften Füchse, die die Spielwelt besiedeln und eingesammelt werden können, wirken jedoch befremdlich und fügen sich nicht gut in das Gesamtbild ein.

Der Tod der Kunst

Es ist nicht alles Gold, was glänzt und auch die Definitive Edition ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. So gibt es einige unverzeihliche Schnitzer zu beklagen. Auch wenn der neue Orchester-Soundtrack kompetent umgesetzt ist, so fängt er nicht ansatzweise den Charme der Melodien aus dem Original ein. Wer noch „Fate“ oder „Calm“ im Ohr hat, Stücke, welche zutiefst emotional waren, wird sich aufgrund des generischen, komplett neu komponierten Soundtracks ärgern. Außer der Titelmelodie wurde nicht ein Stück des ursprünglichen Soundtracks als Fundament für die neuen Kompositionen verwendet. Das raubt „Mafia“ einiges an Identität. Doch auch bei den lizenzierten Songs von Django Reinhardt und den Mills Brothers müssen deutliche Abstriche gemacht werden. Innerhalb von zehn Spielstunden ertönten im Autoradio nur zwei Songs, die im Original vorkamen und davon war ein Titel eine Interpretation eines anderen Künstlers. Besonders schmerzlich wird für viele die Melodie Central Islands, „Belleville“ von Django Reinhart, vermisst werden. Jeder, der an die Musik von „Mafia“ denkt, dürfte sofort diese Melodie im Kopf haben. Natürlich sind die neuen Songs, die da aus den Lautsprechern tönen, irre charmant und wer Duke Ellington liebt, wird hier besonders auf seine Kosten kommen, trotzdem lässt sich festhalten, dass der ursprüngliche Soundtrack von „Mafia“ hier nicht mehr existiert und das ist furchtbar ärgerlich. Immerhin ist das Radioprogramm recht vielseitig: Sportübertragungen, Werbespots und Radioshows sorgen neben der Musik für Abwechslung. Ein Novum, denn im Original gab es kein klassisches Autoradio – jeder Stadtteil hatte seinen eigenen Song, welcher automatisch als Hintergrundmusik ablief. Zwar ist es historisch alles andere als akkurat, dass jeder Wagen mit einem Autoradio in der Zeit der großen Depression ausgestattet ist, aber es bringt einiges an Leben ins Spielgeschehen und das ist eben manchmal wichtiger, als die Fakten.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die deutsche Vertonung, denn diese ist im Vergleich zur englischen Sprachausgabe absolut drittklassig ausgefallen. Das ist deswegen bitter, weil das deutsche Original vor 18 Jahren mit Sprechern der Superlative wie Helmut Krauss, Stephan Schwartz und Mogens von Gadow aufwarten konnte. Absolute Legenden ihres Fachs, die sonst Hollywood-Größen vertonten. Natürlich stand die Besetzung von Krauss auf Don Salieri aufgrund seines Todes im Jahre 2019 nicht mehr zur Debatte und Mogens von Gadow genießt mit 90 Jahren lieber seinen Ruhestand, trotzdem gäbe es durchaus einige Synchronsprecher der A-Klasse, die mittlerweile nachgerückt sind und in die Fußstapfen der großen Vorbilder hätten treten können. In der Definitive Edition wurde allerdings deutlich gespart und eine Truppe an sicherlich kompetenten, aber wenig charismatischen Werbesprechern ausgewählt. Es liegen einfach qualitative Welten zwischen der Vertonung von damals und heute, das lässt sich nicht schönreden. Hier sei also klar der O-Ton mit deutschen Untertiteln angeraten, sofern das für den Spieler zur Debatte steht.

Des Weiteren fällt das hin und wieder deutlich beschnittene und verschlankte Gameplay negativ auf. So wurde die Mission „Omertà“ dermaßen vereinfacht, dass sämtliche spielerische Freiheit verloren gegangen ist. Während man es im Original mit einem großräumigen Flughafengelände zu tun hatte, auf dem man verschiedenste Strategien anwenden musste, um sich der Gegner zu entledigen, ist die Mission im Remake eine deutlich eingeschränkte, kinderleichte Angelegenheit. Scharfschützen gibt es nicht mehr, große Hallen voller böser Buben ebenso nicht. Das Gebiet ist durch Mauern, Koffer und Kisten deutlich eingegrenzt und die Mission, die damals gut und gerne 10-20 Minuten andauerte, kann nun in zwei Minuten erledigt werden. Durch ein wenig Schleicharbeit sind die Badguys schnell um die Ecke gebracht. Sicherlich profitiert so manche Mission von ihrer Modernisierung, aber eben auch nicht jede. Hin und wieder haben die Mitarbeiter von Hangar 13 Abkürzungen genommen, die nicht immer nachvollziehbar sind.

Mafia: Definitive Edition Omerta Airport Action Game Lost Heaven
Sieht schön aus, wurde aber auch ganz schön vereinfacht: Manche Missionen sind nun spielerisch deutlich anspruchsloser

Auch der Freie-Fahrt-Modus wurde deutlich beschnitten. So gibt es keine rivalisierenden Gangster mehr, die man gegen Bezahlung beseitigen kann und auch die Taximissionen wurden getilgt. Stattdessen wurden in den regulären Freie-Fahrt-Modus nun auch Elemente aus dem damaligen Freie-Fahrt-Extrem-Modus eingegliedert, letzterer existiert nicht mehr. Ob man das mag, ist Ansichtssache. Selbst die Missionen bei Lucas Bertone, welche 2002 noch mit Zwischensequenzen und Dialogen aufwarten konnten, sind heftig kastriert worden. Fährt man zur Garage des Mechanikers, kann man nun lediglich Postkarten aufsammeln, die einen zu begehrten Luxusschlitten bringen. Richtige Missionen mit mehreren Aufgaben oder gar einer Dramaturgie existieren nicht mehr. Jammerschade. Ein Remake sollte im besten Falle erweitern, nicht weiter eingrenzen.

Wer damals gerne mit Straßenbahn und Zug durch die Straßen Lost Heavens gefahren ist, um die Stimmung zu genießen, wird eine böse Überraschung erleben. Zwar sind die Verkehrsmittel immer noch Bestandteil der Spielwelt, können jedoch nicht mehr vom Spieler selbst genutzt werden. Das ist zusätzlich grotesk, weil alle Zughaltestellen abgesperrt sind, die Hochbahnen aber trotzdem von Passanten benutzt werden. Aussteigende Passagiere können den Bahnsteig also niemals verlassen. Eine Kollisionsabfrage gibt es für die Hauptfigur in den Verkehrsmitteln allerdings dennoch, das haben eifrige Modder bereits herausgefunden, welche es geschafft haben, in das Innere der Züge und Straßenbahnen zu gelangen. Es ist also davon auszugehen, dass es angedacht war, die Verkehrsmittel für den Spieler nutzbar zu machen. Generell ist es schwer enttäuschend, dass etwas, was vor 18 Jahren mit bescheidenen, technischen Möglichkeiten implementiert werden konnte, im Jahr 2020 nicht mehr möglich sein soll. Ob das Entwicklerstudio hier mittels DLC nachbessern wird, ist fraglich. Offensichtlich ist bei der Entwicklung des Remakes wieder einiges auf der Strecke geblieben. Der Publisher 2K Games ist dafür bekannt, Druck auszuüben und Spiele auf den Markt zu bringen, die eigentlich noch etwas Arbeit benötigen. Wer die Entwicklungsgeschichte und all den herausgeschnittenen Content von „Mafia II“ kennt, dürfte sich leider nicht wundern. Es ist schade, wenn Kreativität und Kunst eingeengt werden, um kommerzielle Interessen zu priorisieren. Eine weitere Verschiebung und mehr Feinschliff hätten dem Titel gut getan. Bleibt zu hoffen, dass Hangar 13 hier mittels diverser Patches ein paar Features wiederherstellen kann.

Benchmarks, Bugs und blaue Bohnen

Schauen wir uns zuletzt noch die technische Umsetzung an. Auf Konsolen (PS4 Pro, Xbox One X) läuft das Spiel mit einer nativen Auflösung von bis zu 2560×1440 mit 30 FPS und macht dabei grafisch eine gute Figur. Lediglich ein paar Framedrops und Probleme bei der Sichtweite von Details stören das Gesamtbild etwas. Auf einem potenten PC ist die Performance und Grafik deutlich besser. Eine tolle Leistung, wenn man an das technische Desaster denkt, dass „Mafia III“ damals war. Auf dem Testsystem (Intel i7 6700, GeForce RTX2060, 16GB DDR4 RAM, SSD) läuft das Spiel auf höchsten Settings dauerhaft mit über 60 Bildern in 1440p. Hin und wieder kommt es zu Mikrorucklern, allerdings dürften hier neue Treiber und Updates schnell Abhilfe schaffen. Trotz der im Vergleich zu „Mafia III“ deutlich besseren Umsetzung ist das Spiel leider nicht von Bugs verschont geblieben. So kann es vorkommen, dass das ohnehin schon sehr frustrierende Rennen in der Mission „Fairplay“ mit eingeschaltetem (!) Tempomat beginnt. Auch reagierte Tommy im Test nicht immer auf die Tastatureingaben, weigerte sich ironischerweise gerade in der Mission „Running Man“ mehrfach, die Beine in die Hand zu nehmen und vorwärts zu laufen. So wird eine Flucht oder Schießerei schnell mal zu einer hakeligen Angelegenheit.

Auch sonst gibt es noch Fehlerchen: Die Mission „Happy Birthday!“ ist im Jahre 1935 angesiedelt, während die Einladung für die Feier auf das Jahr 1933 datiert ist. Manche Bushaltestellen sind fehlerhaft als Straßenbahnhaltestelle ausgewiesen, obwohl weit und breit keine Schiene zu sehen ist. Alles kein Beinbruch, aber die Entwickler haben noch etwas Arbeit vor sich, bis das Spiel durchgängig rund läuft. Einen Kritikpunkt muss man Hangar 13 dann allerdings doch regelrecht an den Kopf werfen: In „Mafia III“ waren sämtliche Spiegel verbuggt, was darin resultierte, dass die Spielwelt im Spiegel eingefroren ist oder der Charakter völlig falsch dargestellt wurde. Anstatt dieses Problem nun endlich zu beseitigen, sind die Entwickler einen sehr bequemen Weg gegangen: Sie haben einfach keine Spiegel integriert. Ein weiteres Beispiel dafür, dass man hier unnötige Abkürzungen genommen hat. Die fehlerhaften Reflexionen sind jedoch in Glasscheiben noch immer wahrnehmbar, denn während sich die Spielwelt passabel in Fensterfronten spiegelt, bleibt Tommy stets unsichtbar.

Fazit

Eine betörende Spielwelt, ausgereifte Charaktere und neue Ideen treffen auf kleinere Bugs und Gameplay-Einschränkungen. Dennoch ist die Definitive Edition von „Mafia“ ein gutes Spiel geworden, krankt aber eben auch an klaren Problemen. Hätte man alten und neuen Content verwoben, statt so manches Feature über Bord zu werfen, wäre hier ein grandioses Remake zustande gekommen. So reicht es eben nicht ganz für eine Traumwertung. Neue Spieler profitieren vom Spiel am meisten, da sie die Definitive Edition unvorbelastet erleben können, während Originalfans eben Vergleiche ziehen und dabei nicht nur Stärken, sondern auch Defizite deutlicher erkennen können. Als eigenständiges Spiel funktioniert das neue „Mafia“ hervorragend, aber als Remake läuft es nicht immer rund. Doch lassen wir abschließend das Original selbst sprechen: Am Ende kommt es auf jeden einzelnen selbst an und was er aus dem Spiel macht. Es ist wichtig, das richtige Maß zu finden. Ja, Maß, das ist das richtige Wort. Der Typ, der zu viel von „Mafia“ will, riskiert, eine absolute Enttäuschung zu erleben und derjenige natürlich, der zu wenig von Spielen will, es den Entwicklern leicht macht, kriegt künftig vielleicht gar nichts wirklich herausragendes mehr.

Bewertung

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Mafia: Definitive Edition
Genre:
3rd-Person-Action, Racing, Open-World
Release:
25.09.2020
Plattform: Windows 10 PC, Sony PlayStation 4, Microsoft XBox One
Preis: ca. 40€

Autor: Sebastian Narkus

Mafia: Definitive Edition Cover Lost Heaven PS4 PC XBox

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