SerienCheck, [Artikel], [Serien-Review]

„The Boys“: Seriencheck zur Superhelden-Demontage

Wenn man „Watchmen“ mit dreckigem Humor anreichert, dann kommt wohl sowas wie „The Boys“ raus. In der neuen Amazon-Serie legen sich Karl Urban und seine Jungs mit einer Gruppe unehrenhafter Superhelden an. Dabei regnet es viel Blut und deftige Witze.

Vom Panel zur Serie

Bei „The Boys“ handelt es sich ursprünglich um eine Comicreihe (72 Ausgaben) von Garth Ennis, welche von 2006 bis 2012 veröffentlicht wurde. Heute, auf dem Höhepunkt des Marvel Cinematic Universe und dem tapferen Widerstand von DC Comics‘ Filmoutput, kommt da eine Serie mit der Thematik gerade recht. So sahen es auch die langjährigen Kollegen Evan Goldberg und Seth Rogen („Superbad“, „The Interview“) und pitchten ihre Idee an Amazon. Das Resultat ist nun auf Amazon Prime zu finden.

amazon-the-boys-series-comic-cover
„The Boys“ stellt eine Umsetzung der gleichnamigen Comicreihe dar. (Quelle: Amazon / Panini)

„Echte“ Helden und falsche Idole

Mit Karl Urban („Dredd“), Elisabeth Shue („Zurück in die Zukunft II“) und Simon Pegg („Shaun Of The Dead“) in einer Nebenrolle, ist der Cast in jedem Fall mehr als ordentlich besetzt. Auch die anderen Darsteller füllen ihre Rollen kompetent aus. Und was erwarten uns für Figuren? Bei den Superhelden „The Seven“ gibt es Abziehbilder von Superman/Captain America, Flash, Wonder Woman oder auch Aquaman, allerdings alle mit bösem Twist versehen. Diese „Helden“ sind alles andere als ehrenhaft. Sie kämpfen nicht für die gute Sache, sondern für Geld, Anerkennung und dafür macht diese bösartige „Justice League“-Variaton auch nicht vor Mord halt…

Die Prämisse bedient sich dabei kräftig bei Alan Moores „Watchmen“, dem Kult-Graphic-Novel der 80er Jahre. So sind die Helden auch hier keine Fantasie, sondern Teil unserer Gesellschaft und werden finanziell ausgeschlachtet, wo es nur geht. Markenprodukte mit Filmen und Merchandise in Millionenhöhe, welche von der Organisation „Vought“ vermarktet und vertreten werden.  Ozymandias aus „Watchmen“ hätte seine Freude daran. Ließ doch auch er Actionfiguren von sich anfertigen, um sein Imperium „Veidt Industries“ finanziell voranzutreiben. Veidt? Vought? Die Parallelen dürften klar sein. Doch zurück zu „The Boys“: Weltweit werden diese Rächer gecastet und wie Stars gefeiert. Dementsprechend wichtig ist das Image dieser Superhelden in sozialen Netzwerken. Diese Aspekte werden von der Serie kritisch und amüsant aufgearbeitet. Wer sich als besonders fähig herausstellt, kann Mitglied von „The Seven“ werden, einer Superheldengruppe in der Tradition der Avengers. Das idealistische All-American Girl „Starlight“ wird schnell ein Teil dieser unehrenwerten Gesellschaft. Bald muss sie jedoch feststellen, dass sie sich nicht nur gegen Straßenräuber erwehren muss.

Doch genug zu den Männern und Frauen in Strumpfhosen. Unsere eigentlichen (Anti-)Helden sind nämlich in der Truppe rund um Karl Urban und Jack Quaid zu finden, welche sich eben mit den falschen Idolen anlegen. „The Boys“ sind „normale“ Menschen. Superkräfte? Fehlanzeige. Auf den ersten Blick also ein ungleicher Kampf. Urban spielt als grober „Problemlöser“ gewohnt bärbeißig und zeigt, dass er die Rolle des rauhbeinigen Scheißkerls einfach im Schlaf beherrscht. Quaid hingegen verkörpert den grundsympathischen Nerd Hughie, wirkt dabei optisch wie ein Klon von Bill Hader und hat in fast jeder Szene ein neues Shirt einer klassischen Rockband an. Er hat ein ganz persönliches Hühnchen mit „The Seven“ zu rupfen…

the-boys-reg
Gefallene Helden: A-Train, The Deep, Queen Maeve, Black Noir und Homelander (Quelle: Amazon)

Alles so schön grau hier

Erwähnen sollte man noch die Grundstimmung, welche zwar größtenteils ernst und ruppig rüberkommt, aber durch einige heftige Splatter-Effekte und Gags unter der Gürtellinie aufgelockert wird. Da kommt eben hin und wieder der typisch-deftige Seth-Rogen-Humor durch. Diese Momente braucht die Serie auch, denn mit ihrer trostlosen Optik und der untersättigten Farbpalette macht sie zeitweise einen sehr sterilen, fast kalten Eindruck. Die Tage, in denen Superhelden bunt und poppig präsentiert wurden, sind ja bereits seit „Batman Begins“ (2005) gezählt, doch in Zeiten, in denen selbst der eigentlich quietschbunte Deadpool hinter einer untersaturierten Farbpalette herumblödeln muss, sind diese Farbfilter nur noch ermüdend. Visuell ist also alles eher leblos und trist verpackt. Passend dazu serviert die Serie hier und da auch inhaltlich ernstere Zwischentöne, ohne jemals richtig tief in die Materie zu gehen. Ein bisschen Drama ist aber vorhanden. Trotzdem ist das Ganze nicht bierernst verpackt, sondern hat auch ein paar Gags zu bieten, die jedem aufmerksamen Zuschauer ein Lächeln auf die Lippen zaubern dürfte. In einer Szene, in der über die Spice Girls philosophiert wird, fliegt ein Insekt gut sichtbar durchs Bild. Statt die Szene neu zu drehen oder zu hoffen, dass dieser vermeintliche „Fehler“ nicht weiter auffällt, bekommt das Insekt einfach einen extrem auffälligen Soundeffekt spendiert. Solche Überhöhungen sind sympathisch und äußerst charmant. Äußerst positiv anzumerken ist in jedem Fall noch der Soundtrack, welcher mit Songs von Iggy Pop, The Clash oder The Runaways aufwartet. Da kommt ordentlich Stimmung auf.

50 Shades Of Grey: „The Boys“ ist manchmal trostlos und sieht zeitweise auch so aus (Quelle: Amazon)

Fazit

Brutale und unterhaltsame Superhelden-Persiflage, die gleichzeitig Parodie als auch eine kleine Anklage an durchgekaute Klischees der Comicfilme ist. Die Qualitäten eines „Watchmen“ erreicht „The Boys“ dabei zwar nicht, setzt seinen Fokus aber auch nicht auf cleveres Storytelling, sondern eher auf brettharte Action und Gross-Out-Humor. Wer sich also an dreckigen Witzchen nicht verschluckt, der wird seinen Spaß haben.

Bewertung

3,5 Sterne
„The Boys“ jetzt auf Amazon schauen *klick*

Autor: Sebastian Narkus
Bildmaterial: Amazon; Panini Verlag

1537999081783

Werbung

7 Gedanken zu „„The Boys“: Seriencheck zur Superhelden-Demontage“

  1. Ich mag diese Marvel/DC Superhelden überhaupt nicht. Deswegen musste ich hier unbedingt reinschauen, da die Anspielungen auf eben diese Helden mehr als offentlichtlich ist.
    Nach der ersten Folge konnte ich gar nicht wieder aufhören und habe die Staffel mehr oder minder durchgebinged :) :)
    Einfach hammergeil.

    Gefällt 1 Person

  2. Eigentlich mag ich es gar nicht, wenn Charaktere so dermaßen überzeichnet sind. Bei „The Boys“ macht die ganze Sache ohne aber gar keinen Sinn. Meiner Meinung nach eine sehr gute Serie mit einigen Lachern.

    Das die ganzen Superhelden eigentlich Superschurken sind und es nur ums Geld geht, könnte man sogar noch als Systemkritik durchgehen lassen!

    Gefällt 1 Person

    1. Ja, aber sowas kann durchaus ins Auge gehen, wenn man seine Figuren zu sehr überzeichnet. „The Boys“ schlittert da für mich ein paar Mal an der Grenze des Erträglichen vorbei, überschreitet sie aber auch nicht. Wie Du anmerkst, müssen die Superhelden überzeichnet werden, denn schon die Vorlagen sind ja im Grunde meist nur Abziehbilder.

      Jup, da ist auf jeden Fall einiges an Kritik da, an der Konsumgesellschaft, an dem, wie Menschen zu Idolen hochstilisiert werden und auch der Kapitalismus bekommt sein Fett weg. Gibt da einige interessante Ansätze, die leider zunehmend an Signifikanz verlieren. In erster Linie geht es ja nur um böse Unterhaltung.

      Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..