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„Hugo Cabret“-Kritik: Blick durch die jungen Augen eines alten Mannes

Skeptisch konnte man schon werden, als Scorsese mit „Hugo Cabret“ einen Film ankündigte, der weniger seinem Ressort entsprach und obendrein von Kinderschauspielern getragen werden sollte. Unüblich ist da noch eine der netteren Bezeichnungen, denkt man an die vielen blutgetränken Mileustudien, bei denen zumeist Kriminelle im Vordergrund standen. Dazu noch ein Tapetenwechsel vom geliebten, aber mittlerweile ausgelaugten New York ins romantische Paris und es konnte einem schon Angst und Bange werden.

Überraschenderweise stellt sich beim Endprodukt die Frage, ob Scorsese einen Kinder- und Fantasyfilm stemmen könne, überhaupt nicht mehr. Beides ist hier nur Fassade, um die Liebe eines Filmemachers einzufangen, der im Film-Herzen eben ein Kind geblieben ist und durch diese Augen auf die goldenen Anfänge des Filmemachens zurückblickt.

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Ein Kinderfilm für Erwachsene

Als Kinderfilm versagt „Hugo Cabret“ nahezu völlig, weil Scorsese keinerlei Risiken eingeht und es regelrecht zu spüren ist, dass dies eigentlich nicht seine Baustelle ist. Das äußert sich in der absolut formelhaften Umsetzung, den eindimensionalen Figuren, deren spätere „Entfaltung“ und Läuterung zu hervorsehbar ist und der oberflächlich mageren Geschichte. So wirkt es oftmals wie die Geschichte des Ebenezer Scrooge, der schlussendlich Besserung gelobt, während er die meiste Zeit zuvor grantig und unfreundlich agierte. Diese Aspekte findet man sowohl bei Sacha Baron Cohens Figur als auch bei Ben Kingsley wieder und damit gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. Neues wird auf diesem Level also nicht geliefert.

Für Fantasy-Liebhaber wird dann auch relativ wenig geboten. Viel CGI, hübsche und vertrackte Uhrwerk-Konstruktionen. Sicherlich gehen sowohl von dem menschlichen Automaten, als auch von den Locations und Träumen viel Zauber aus, aber die wahre Magie, die Scorsese hier am Herzen liegt, ist nun mal die des Filmemachens und nichts anderes. Dementsprechend wird auch von Paris relativ wenig gezeigt: So wie der Mikrokosmos Kino immer in abgeschotten Sälen stattfindet, so kommen wir meist über das Innere eines Bahnhofs oder Wohnräumen nicht hinaus. Die Außenwelt ist eben uninteressant, wenn man zwei Stunden lang aus dem Alltag fliehen möchte.

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Gerade im Bahnhof finden sich dann allerlei schrullige Figuren wieder, die durch die Bank weg von tollen Nebendarstellern getragen werden. Hier seien Richard Griffiths oder Emily Mortimer zu erwähnen. Leider hat man oftmals ein wenig dass Gefühl, Scorsese wolle zu viele Nebenrollen unterbringen (er selbst lässt sich einen Kurzauftritt auch nicht nehmen), die dann leider im Endeffekt untergehen. Christopher Lee und Jude Law hinterlassen zumindest keinen gravierenden Eindruck. Generell geht übrigens eine merkwürdige Kälte von nahezu allen Figuren aus.

Im Vordergrund stehen natürlich Asa Butterfield, Chloë Grace Moretz und niemand geringerer als Ben Kingsley. Während man an der Inszenierung seiner Kinderstars Scorsese nichts vorwerfen kann, so krankt Kingsleys Part an der zunächst schablonenhaften Zeichnung der Figur. Fast einem Scheusal gleich, schreit er den titelgebenden Jungen an, bricht ihm sogar das Herz, als er vorgibt, dass Tagebuch des Vaters verbrannt zu haben. Die unausweichliche Wendung dieser Figur ist aber schon meilenweit im Voraus zu riechen, wenn auch ein Twist überraschend daherkommt.

Betrachtet man „Hugo“ als das, was er nach mehr als einer halben Stunde Laufzeit gar nicht mehr verheimlichen kann, nämlich als Liebeserklärung an die Geburtsstunde des Kinos, funktioniert der Film wie ein Uhrwerk. Sogar als interessierter Filmfan kann man noch das ein oder andere lernen. Inwieweit das dann Kinder anspricht, ist eine andere Frage. Zitatekino einer lange vergangenen filmischen Epoche dürfte sicherlich so manches Kind überfordern, andererseits ist die Heranführung auf diese Art und Weise vielleicht sogar ein kleiner Geniestreich.

Fazit

Mit „Hugo“ hat man also im Endeffekt selbst das Zepter in der Hand: Will man einen Kinderfilm, den man nicht schon dutzende Male gesehen hat, so wird man nicht glücklich. Auch als Fantasyfilm funktioniert „Hugo Cabret“ nicht wirklich, da zu wenig fantastische Elemente zu den Zutaten gehören. Möchte man aber mal eine ungewöhnliche Art, Filmgeschichte zu erleben und auch weiterzugeben, dann ist dies eine gute Wahl. Denn im Endeffekt ist in jedem Moment, jeder Szene und jeder Kamerafahrt zu spüren, dass dies ein Projekt ist, dass dem Filmemacher besonders am Herzen lag. Nicht umsonst werden derartige Symbole immer wieder während den 120 Minuten aufgegriffen. Wie ein aufgeregter Schuljunge ist Scorsese hier wohl zu Werke gegangen und sicherlich hätte er noch so viel mehr zu erzählen gehabt.

Was man also schlussendlich mit seiner Zeit anstellt und ob sich das dann lohnt, liegt in diesem Fall in den eigenen Händen.

Bewertung:

3,5 Sterne

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Autor: Sebastian Narkus
Bildquelle: Paramount

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