PlayCheck, [Artikel]

„Red Dead Redemption 2“: Rückkehr eines Revolverhelden

John Marston ist eine äußerst populäre und geschätzte Videospielfigur. Gezeichnet als dreidimensionaler Charakter, der seine blutdurchtränkten Tage längst hinter sich gelassen hat, sich Erlösung und Frieden für seine Familie ersehnte. Eine selbstreflektierende, reuevolle Seele. In „Red Dead Redemption“ wird er von miesen Agenten der US-Regierung erpresst und muss wieder zur Waffe greifen. Arthur Morgan hingegen, die Hauptfigur aus dem Prequel, genießt seinen Job als Knochenbrecher & Geldeintreiber augenscheinlich in vollen Zügen. Mit einschüchternden, zynischen Worten und einem miesen Grinsen im Gesicht geht er ans Werk. Im neuesten Streich von Rockstar Games werden die beiden Figuren in der gleichen Gang aufeinander treffen. Das ist nicht nur spannend, sondern auch ein cleverer Schachzug der Entwickler.

In „Grand Theft Auto V“ steuerte man auch die Figur Trevor Philips, einen drogensüchtigen Irren, der jederzeit an die Decke gehen konnte und mit dem ein jeder seine anarchistischen Sehnsüchte ausleben konnte. Er fungierte als Katalysator für Spieler weltweit, um sich auch mal Wut, Angst und Aggression von der Seele zu spielen. Mit Trevor haben wir Chaos verbreitet, die Tore der Hölle geöffnet. Auch dafür ist Kunst da. So eine Figur war John Marston nicht. Er hat mehr mit Niko Bellic gemein, dem Protagonisten von „Grand Theft Auto IV“ aus dem Hause Rockstar. Seine Geschichte handelte von Selbstreflexion, von blutigen Händen, die rein gewaschen werden wollten. Ihn als rücksichtslosen Revolverhelden reihenweise Unschuldige niederschießen zu lassen, fuhr dem Storytelling deutlich in die Parade. Das hat manche Spieler kaum gestört. Die Handlungen waren trotzdem nicht mit der Charakterentwicklung vereinbar. Genau da kommt jetzt wieder Arthur Morgan ins Spiel. Eine Figur, mit der man Gewalt sät, ohne Widersprüche zu erzeugen.

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Urteilt man anhand der veröffentlichten Trailer und Infos, ist Morgan genau der Typus, dem Marston nicht entsprach. Er ist die Antithese. Des Teufels Advokat mit diebischer Freude an seinem Handeln. Dabei anscheinend auch mal dunkel und nachdenklich, scheint er doch zu erkennen, dass er und seine Gangkollegen sich schon lange von Menschen in Geister verwandelt haben. Seelenlos, tot. Ein typisches Filmklischee, im Medium Videospiel aber noch lange nicht auserzählt. Der Eindruck bleibt allerdings, dass wir hier erneut eine Figur spielen werden, die in der Tradition von Trevor Philips steht. Der Typ, mit dem man keine Gewissensbisse hat, wenn es virtuell ans Eingemachte geht.

Wenn also Marston und Morgan aufeinander treffen, dann sind das nicht nur zwei grundverschiedene Charaktere, sondern auch konträre moralische Ansichten. Selbst in der Hochphase seiner kriminellen Karriere ist John Marston kein skrupelloser Wahnsinniger gewesen oder jemand, der echten Spaß an Zerstörung und Gewalt hatte. Das hat uns Marston in den unzähligen Stunden von Rockstars Westernepos jedenfalls eindrucksvoll erzählen wollen. Nicht umsonst trennten sich irgendwann die Wege von Marston und der Gang von Dutch Van Der Linde. Und genau in diesen aufkeimenden Konflikt werden wir als Arthur Morgan, einem rohen Schläger, hineingeworfen. Der Wilde Westen neigt sich dem Ende zu und nur der kann bestehen, der stark genug ist, damit zu brechen. Van Der Linde und Bill Williamson waren es nicht, John Marston hingegen gelang geistig die Abkehr. Bleibt die Frage, wie sich Arthur Morgan entscheiden wird…

Vorlage Bild

Als Fan hoffe ich, dass diese Eindrücke richtig sind, dass dieses Bild, welches von Marston gezeichnet wurde, nicht zerstört wird. Bei Rockstar Games kann man allerdings damit rechnen, dass sie den Mut haben, auch Mythen zu entzaubern. Desillusion ist ein wirkungsvolles Mittel, um Geschichten interessant und fesselnd zu erzählen. Denn vielleicht hat der John Marston der Vergangenheit mehr mit Arthur Morgan gemein, als man glauben möchte… In jedem Fall werden wir erleben, wie Marston zu den Narben kam, die ihn für den Rest seines Lebens prägten, sowohl optisch als auch seelisch. Wir werden zusehen, wie diese Ikone sich die Finger beschmutzt bei Gräueltaten wie Raub und Mord. Das wird die Liebe zur Figur auf eine harte Probe stellen.

Am Ende ist die Rückkehr des John Marston ein erleichterndes Gefühl. Nach allem, was wir mit ihm auf seinem brutalen Himmelfahrtskommando durchlebt haben, bekommen wir nicht nur mehr von dieser Figur, sondern eine komplett neue Perspektive auf ebendiese. Das ist eine Erlösung und auch Linderung, wenigstens für den Spieler. Und das ist doch etwas, das große Vorfreude erweckt.

„Red Dead Redemption 2“ erscheint am 26. Oktober 2018 für PlayStation 4 und Xbox One.

Bildmaterial: Rockstar Games

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