Als großer Fan von „Mafia“, der auch noch mit der Fortsetzung gut warm geworden ist, war ich nach dem ersten Promomaterial zum dritten Ableger sehr skeptisch. Zwar versprach das 60er-Setting in New Orleans eine willkommene Abwechslung, doch dass man hier nicht mehr ein waschechter Vertreter der italoamerikanischen Mafia sein sollte, machte mich stutzig. Kann auch das dritte Spiel das hohe cineastische und erzählerische Niveau der Vorgänger halten?
**Story & Atmosphäre**
Hier wagt Mafia III das mutigste Unterfangen. Statt italoamerikanischem Mafioso kämpfen wir als Afroamerikaner Lincoln Clay nun zum ersten Mal gegen die ehrenwerte Organisation, welche vorher Fokus der Reihe war. Das ist zunächst ungewohnt, doch da man sich selbst rasch eine kriminelle Vereinigung aufbaut, kommt das Mafia-Feeling nicht abhanden. Letzteres wird ohnehin weiter durch filmreife Zwischensequenzen und eine spannende Handlung vermittelt. Genau das schafft Mafia III leicht. Die Handlung wird zum großen Teil auch durch Rückblenden und aktuellen Interviewschnipseln von Zeitzeugen erzählt. Das ist ein interessanter Ansatz und der funktioniert.
Mit der Hauptfigur bin ich schnell zurechtgekommen. Lincoln Clay ist zwar ein ruppiger Zeitgenosse, aber gleichzeitig sind seine Motive nachvollziehbar und er wirkt nicht unsympathisch. Mit Cassandra, Vito und co. hat man bei den Unterbossen dann entsprechend ausgearbeitete Figuren im Angebot, welche ebenfalls äußerst interessant gezeichnet sind. Niemand ist hier nur gut oder böse. Die Figuren wirken vielschichtig und geheimnisvoll.
Aus atmosphärischer Sicht war die Entscheidung, das Geschehen ins New Orleans, respektive New Bordeaux, der 60er zu verlagern, goldrichtig. Musik, Lebensgefühl, politische Situation, Rassismus, Autos und Technik dieser Zeit sind in einem Open-World-Actiontitel unverbraucht und erzeugen eine sehr fesselnde Stimmung. Der Schauplatz ist mit seinen Sümpfen, Städten und kleinen Ortschaften dazu wunderbar abwechslungsreich und stimmungsvoll gestaltet. Obendrein gibt es noch viele ausgefallene Locations zu finden, wie ein Flughafengelände, das aufgrund einer Überflutung aufgegeben wurde, oder ein sich im Bau befindliches Spielcasino. Das Missionsdesign bietet, von manchen Wiederholungen abgesehen, auch Grund zur Freude. Hier sei nur eine Mission zu Beginn des Spiels genannt, in der man einen ganzen Vergnügungspark voller Gangster aufmischt. Was in anderen Spielen das große Finale darstellt, ist hier nur ein Setpiece im ersten Drittel. Bravo!
**Gameplay**
Mit dem Gameplay der Vorgänger hat Mafia III nicht mehr viel zu tun. Während man sich in den ersten beiden Teilen sehr linear von Mission zu Mission ballerte und nebenbei hin und wieder die Stadt erkundete, setzt der dritte Teil auf ein freies Missionsdesign. Das bedeutet, dass wir uns Missionen nach Belieben aussuchen können. Seien dies nun Story- oder Nebenmissionen. Dazu gibt es auch viele Nebenaktivitäten wie das Abhören von Telefonleitungen, die Übernahme feindlicher Gebiete oder das Sammeln von Playboy Magazinen und Schallplatten. Content ist also genug da. Wo viel hinzugefügt wurde, hat man leider auch das Gameplay etwas gestutzt. Konnte man im zweiten Teil noch Klamotten kaufen oder in Bars ein Bierchen trinken, so muss sich Lincoln damit anfreunden, dass er nur Geschäfte überfallen darf. Hinsichtlich der Ära hat man die Situation aber clever gelöst, denn unser Antiheld ist nicht in jedem Geschäft gerne gesehen und wird aufgrund seiner Hautfarbe auch mal aus einem Shop geworfen. Ähnlich gestaltet sich das Polizeisystem. Werden die Blaumänner in reichen, weißen Vierteln auf den Plan gerufen, erscheinen sie deutlich schneller als in ärmlichen Gegenden mit afroamerikanischen Bürgern. Hier hat man Detailverliebtheit bewiesen.
Erfreulich ist die Tatsache, dass New Bordeaux viele begehbare Gebäude besitzt. So marschieren wir lustig in Waschsalons, Bars, Pfandleihen, Fabriken und Garagen hinein. In der Nacht sind viele dieser Türen aber verschlossen, was für Einbrecherkönig Clay aber kein Problem darstellt. Diese Innenlevel sind nicht bloße Staffage, sondern bieten auch allerlei Goodies wie Energie, schusssichere Westen, Geldkassetten und sonstige Collectibles.
Ein neues und großes Element von Mafia III ist die Möglichkeit, Unterbosse zu rekrutieren und die Geschäfte zu verwalten. So können wir bestimmte Bezirke, Lagerhäuser oder Fabriken feindlicher Gangster erobern und unter unseren drei Unterbossen aufteilen. Zu Beginn, als wir die drei Figuren kennenlernen, ist eine freie Zuweisung der Gegenden noch nicht möglich. Später kann man frei entscheiden. Dabei sollte man sorgfältig abwägen, denn ein Unterboss, der sich übergangen fühlt, wird uns weniger Gefallen tun und im schlimmsten Falle wohl den Rücken zuwenden. Um die Geschäftsbeziehungen zu pflegen, erledigen wir kleinere Botengänge, wie Alkohol- oder Drogenschmuggel. In Verbindung mit der Anzahl an Geschäften, die ein Unterboss unter Kontrolle hat, steigt auch der so genannte Kickback. Das ist quasi regelmäßig generiertes Einkommen, das wir zunächst selbst abholen müssen. Ein weiteres Detail ist, dass uns unsere Unterbosse diverse Gefallen tun können. Dies kann eine Waffenlieferung sein oder das Abholen unseres Bargeld zur sichereren Verwahrung. Später erledigt die Consiglera auch unsere Kickback-Kollekte. Das Unterbosse-System gefällt mir in jedem Fall hervorragend und bringt frischen Wind in die Reihe.
Größtenteils wirkt die Welt von Mafia III sehr lebendig, leider gibt es in Missionen Situationen, die die Immersion zerstören. Wenn uns ein Gegner zum zehnten Mal den gleichen Satz Marke: „Ich werd‘ dich finden, Bruder!“ an den Kopf wirft, wird es schnell nervig. Derart penetrant ist mir ähnliches lange nicht in einem Spiel aufgefallen. Das muss nicht sein und macht viel Stimmung kaputt.
**Steuerung**
Mit dem Gamepad steuert sich der dritte Ableger größtenteils direkt. Hin und wieder wird es ein wenig fummelig, wenn die Schießereien eskalieren. Hier braucht man etwas Übung. Mit Maus und Tastatur habe ich gar nicht erst länger gespielt, da die Maussteuerung dermaßen schwammig ist, als würde man einen Analogstick mit der Maus bedienen. Hier merkt man die lieblose PC-Portierung. Ebenso negativ fällt der Umstand auf, dass Lincoln Clay nicht jederzeit springen kann, sondern nur über Hindernisse klettert oder springt, wenn es das Spiel vorsieht. Das bedeutet bisweilen auch, dass eine wenige Zentimeter hohe Hürde für die Hauptfigur unüberwindbar ist, weil die Entwickler vergessen haben, hier die Möglichkeit des Kletterns einzuprogrammieren. Ein autonomer Sprungknopf hätte solche Fehler umgehen können.
Durchwachsen wirkt auch die Fahrzeugsteuerung. Zum einen ist das Setting „Simulation“ meilenweit von eben dieser entfernt und kommt nichtmal an das Feeling des Vorgängers ran, zum anderen wirkt das Fahrgefühl fast wie direkt aus „Watch Dogs“ übernommen. Parallelen fallen besonders in Autounfällen auf. Immerhin erzeugt die Fahrphysik hin und wieder zumindest ein gewisses Gefühl für das Gewicht der Boliden. Dies ist immer dann der Fall, wenn man per Handbremse um Kurven driftet.
**Grafik & Technik**
Hier haben sich die Entwickler selbst ins Bein geschossen, indem sie ein technisch nicht einwandfreies Spiel auf den Markt geworfen haben. Tatsächlich gibt es wirklich unzählige Bugs, Grafikfehler und Performanceprobleme zu bemängeln. Sei es zum einen der Umstand, im Jahr 2016 auf dem PC einen AAA-Titel auf den Markt zu werfen, der eine Limitierung auf 30 FPS mitbringt und zum anderen selbst auf ordentlichen Kisten nicht sauber läuft. Mikroruckler, aufploppende NPCs, KI-Fehler und dergleichen sind an der Tagesordnung. Mit meiner GTX 970 und dem AMD FX 8350 hält das Spiel auf hohen Details nichtmal konstant die 30 Bilder. Das darf einfach nicht sein. Zumindest haben die Entwickler schnelle Hilfe in Form eines Patches versprochen, welcher die FPS-Bremse deaktiveren soll. Bleibt zu hoffen, dass auch die Performance demnächst drastisch nach oben verbessert wird. In diesem Zustand ist das Spiel auf technischer Seite völlig inakzeptabel.
Das alles ist deswegen besonders tragisch, weil Mafia III zeitweise unverschämt gut aussieht. Das hat aber immer mit der Tageszeit und Beleuchtung zu tun. Staunt man in einem Moment noch Bauklötze, meint man im nächsten einen Titel der letzten Konsolengeneration zu spielen. Hin und wieder sind die Texturen extrem matschig und die Grafik entspricht zeitweise einfach nicht aktuellen Standards. Glücklicherweise sind die Cutscenes umwerfend gelungen und schaffen es gerade auf Seiten der Gesichtsanimationen zu begeistern. Hier werden durch Mimik und Gestik derart viele Gefühle vermittelt, dass man sich diese Qualität gerne für das gesamte Spiel gewünscht hätte.
Im Hinblick auf die technische Seite möchte ich noch die teilweise katastrophale KI erwähnen. So fahren Verkehrsteilnehmer gerne im Zickzack über alle Spuren, oder lustig in den Gegenverkehr. Diese Momente sind unvorhersehbar und machen das schnelle Fahren hin und wieder zum Glücksspiel. Manchmal kommt der gesamte Straßenverkehr auch einfach grundlos zum Erliegen, weil an einer Kreuzung alle Autos stehen bleiben. Das ist besonders ärgerlich, wenn man ein gegnerisches Fahrzeug heimlich verfolgen will, um ein geheimes Versteck ausfindig zu machen. Erneut kommt die Frage auf, warum das Spiel in diesem Zustand auf den Markt gebracht wurde. In Schießereien sieht es mit der KI kaum besser aus, da diese sehr einfach auszutricksen ist. Aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit geht aber zumindest eine gewisse Gefahr der Gegner aus. Dies in Verbindung mit dem netten Gunplay sorgt zumindest hin und wieder für einige starke Shootouts.
**Sound**
Was Sounddesign und Musik angehen, leistet sich Mafia III angenehmerweise keine Schnitzer. Die Soundeffekte sind stimmig, die Musikuntermalung grandios. Während man durch die Radiosender schaltet, schallen einem Jimi Hendrix, CCR, die Stones oder auch die Animals entgegen. Auch aus Wohnungen und Häusern erklingt Musik. Wenn wir einen Unfall bauen, fällt das Radio kurz aus und fährt man durch einen Tunnel, wird der Empfang schlechter. Solche Details erzeugen zu jeder Sekunde eine ungeheure Stimmung und Lebendigkeit. Die englische Vertonung ist dazu noch ausgezeichnet gelungen und bis in die Nebenrollen bestens besetzt. Auch die deutsche Synchronisation kann sich hören lassen, ist aber hin und wieder etwas durchwachsen, weil nicht jede Figur talentiert und mit Leidenschaft eingesprochen wurde. Lincoln Clay ist auf Deutsch aber mindestens genau so roh und cool vertont, wie im englischen Pendant. Warum man nur einen Teil der englischen Radiosendungen und Spots eingedeutscht hat, erschließt sich mir aber nicht.
Fazit:
Mafia III ist eine Tragödie und damit ist nicht die inhaltliche Stilrichtung gemeint. Während Geschichte, Spielwelt, Musik und Atmosphäre ein grandioses Spiel versprechen, zerstört die technische Umsetzung aktuell eine Menge davon. Im aktuellen Zustand hätte der Titel so nicht ausgeliefert werden dürfen. Bleibt zu hoffen, dass Hangar 13 hier rasch und kompetent nachbessert, denn hinter der ärgerlichen Wand aus Bugs, Grafikfehlern und schwacher Portierung steht ein wirklich spielenswertes Werk. Bis auf weiteres vergebe ich daher nur 3 Sterne für ein tolles Spiel, das durch die Technikmacken zurückgehalten wird.
Bewertung: 3/5
Ein Gedanke zu „MAFIA III (PC) im Test: Volle Fahrt mit angezogener Handbremse“